Es ist an der Zeit, dass wir den Begriff „Problemkinder” abschaffen. Dieser alte Begriff ist ein Ausdruck der Stigmatisierung und Diskriminierung von Kindern, die einzigartig und vielfältig sind. Kinder brauchen Ermutigung, sie brauchen die Unterstützung der Erwachsenen als soziale Vorbilder.
Indem wir Kinder in Schubladen stecken und sie als „Problemkinder“ abstempeln, verhindern wir ihre individuelle Entwicklung und stigmatisieren sie bereits frühzeitig.
Es gibt doch keine Kategorien ‚Kind‘: es gibt keine „guten“ und „schlechten“ Kinder, es gibt zuallererst mal: Kinder!
Die Gesellschaft, aber auch jeder Einzelne von uns hat die Aufgabe, mitzuhelfen, dass jedes Kind einen Platz in unserer Gesellschaft findet.
Kinder wachsen heute in einer Gesellschaft auf, die den Fokus auf Leistung legt, in der es darum geht, möglichst viel in möglichst kurzer Zeit zu schaffen. Der Schwerpunkt liegt auf dem Wissen.
Emotionen leben? – Fehlanzeige!
Aber Emotionen leben zu können, das ist eine so wichtige Fähigkeit für den Menschen selbst, und auch für einen kompetenten Umgang mit anderen.
Manchmal erleben wir, dass Emotionen nicht zugelassen werden können oder dürfen. Wenn schon Emotionen, dann doch bitte nur die, die nicht so anstrengend für uns Erwachsenen sind. Wütend sein z.B., das stört. Geht gar nicht. Du sollst doch funktionieren, Kind!
Aber was ist Wut eigentlich?
Wut stresst uns, weil es oft mit aggressivem Verhalten verbunden wird, schwer kontrollierbar ist. Ist der Stresspegel sehr hoch, ist Wut auch ungesund.
Dennoch: ein gewisses Maß an Wut ist auch wichtig! Hätten wir keine Wut, dann könnten wir unsere persönlichen Grenzen nicht schützen. Wir könnten unsere Bedürfnisse nicht verteidigen. Und Wut setzt auch unsere Energien frei.
Aggression, die ja auch sehr eng mit Wut verbunden wird, hat ebenso einen positiven Aspekt. Der Begriff der „Aggression“ wird in Anlehnung an die lateinische Übersetzung als „innere Kraft“, als „inneres starkes Gefühl“ bezeichnet, das dem Menschen hilft, an etwas heranzugehen, Hindernisse zu beseitigen. Wenn wir diese Gefühle nicht hätten, dann gäbe es keine Entwicklung, keine Veränderungen und keine Innovationen.
Für Erwachsene bleibt häufig die Frage: welche Resonanz soll ich geben? Und wann gebe ich welche Resonanz?
Wir Erwachsenen müssen erst mal uns selbst erkennen: wie lebe ich Emotionen? Wie gehe ich mit ihnen um? Weiß ich den Unterschied zwischen den Emotionen, die mir schaden? Und denen, die mir nützen? Dann weiß ich auch, was einer Gesellschaft schadet oder was ihr einen Nutzen bringt!
Und ich kann Vorbild für die Kinder sein: als Eltern, als Erzieher und Erzieherin, als Lehrer und Lehrerin und natürlich auch die gesamte Gesellschaft. Hier passt das afrikanische Sprichwort: ‚Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf!‘ Wir alle in der Gesellschaft können nicht so tun, als ginge es uns nichts an. Welches Vorbild möchten wir sein? Was ist unser Beitrag für eine gelungene Zukunft der Kinder?
Diese Fragen darf sich jede und jeder stellen.
Neben unserer persönlichen Klärung zu unserer Einstellung können wir die Kinder unterstützen, indem wir:
- Ihnen Worte für ihre Emotionen geben. Das heißt nicht, dass ich sie weg rede (z.B. ‚Das ist doch gar nicht so schlimm‘ – oder ‚Jetzt reg dich nicht so auf‘). Wenn ich etwas „weg“ rede, weil ich es nicht ertragen kann, dann hilft das nichts. Wenn ich ein Wort für den Ausdruck des Kindes finde, dann teile ich es mit dem Kind, ich verstehe die Emotion. Und das beruhigt ein Kind, es weiß dann: ‚Ich bin nicht allein mit meinem Gefühl.‘
- Ich gebe dem Kind Resonanz. Ich sehe das Kind, ich gebe ihm ein Wort, ich mildere meine Tonlage beim Sprechen etwas nach unten. Dadurch kommt beim Kind an: ‚Glücklicherweise ist jemand da, der die Situation etwas entschärft. Nicht zu verwechseln damit, dass man dem Kind die Emotion ausreden will. Nein, es geht darum: ‚Jemand ist da, der mir meine Sicherheit wieder zurückgibt!‘
- Ich zeige neue Möglichkeiten und Wege auf, z.B. sagst du: „Das hat dich ganz schön geärgert, das kann ich verstehen. Kann ich dir denn helfen, dass es dir wieder besser geht?“ Oder: „Das macht dich so wütend, dass du mit Sand nach den Kindern geworfen hast. Die wollten heute allein spielen. Du kannst sagen: „Das macht mich wütend. – Wollen wir mal zusammen jemand anderen fragen, ob er mit dir spielen mag?“
Und natürlich sollten wir neben den anstrengenderen Momenten nicht sie entspannten Alltagssituationen vergessen und uns angewöhnen, so oft wie es geht, Emotionen (auch die positiven) im Alltag in Worte zu fassen. Das können wir als Erwachsene üben und wir können es mit den Kindern üben.
Es wird also Zeit, den Begriff „Problemkinder“ aus unserem Vokabular zu streichen.
Es geht darum, einen besseren, einen guten Umgang mit den Emotionen und Bedürfnissen der Kinder zu finden und natürlich auch einen guten Umgang mit uns selbst.